Die polarisierte Gesellschaft

Meinungen prallen aufeinander und stehen scheinbar unversöhnlich gegeneinander. Diesen Eindruck habe ich nicht erst seit die sog. „Ampelregierung“ zerbrochen ist, und der Wahlkampf begonnen hat. Dieser Eindruck vermittelt sich mir schon sehr lange. Die Ausschließlichkeit, mit der viele ihre persönliche Meinung vertreten, und die Aggressivität haben meines Erachtens jedoch eine neue Ausprägung erreicht. Bei dieser Entwicklung sind Respekt und Sachlichkeit auf der Strecke geblieben.

 

Hoch im Kurs steht zurzeit die Ausgrenzung unliebsamer Interessengruppen durch eine Stigmatisierung als „nationalsozialistisch“. Kennzeichnend für den Nationalsozialismus sind die Radikalität, mit der die antisemitische, rassistische, völkische und nicht demokratische Ideologie verfolgt wurde, und die Bereitschaft dazu, diese Ideologie mit den Mitteln der Gewalt und der Massenvernichtung menschlichen Lebens durchzusetzen.

 

Jede und jeder, der einen anderen Menschen als „Nazi“ beschimpft, muss sich dieser Bedeutung bewusst sein! Dass selbst bei etablierten Politikerinnen und Politikern dieses Bewusstsein nicht vorhanden zu sein scheint, das ist für mich fatal. Dass dieselben Personen andere zusätzlich als „geschichtsvergessen“ beschimpfen, das ist bodenlos.

 

Ausgleich nicht Ausgrenzung führen zum Gemeinwohl, dem wir alle als Teil dieser Gesellschaft verpflichtet sind. Im Besonderen jedoch die Menschen, denen auf Zeit Regierungsverantwortung übertragen wird. Wenn diese Damen und Herren ihre politischen Mitkonkurrenten im Wahlkampf mit Häme, Verleumdung, Unterstellung und verbaler Ausgrenzung begegnen, wie soll anschließend eine seriöse Regierung entstehen, die klug abwägt, die unterschiedliche Interessen ernst nimmt, die ein verlässlicher Partner in Bündnissen ist und die dem Gemeinwohl in Deutschland dient? Das erschließt sich mir leider nicht.

 

Aus diesem Grund benötigt unser Land eine Instanz, die unabhängig von Wahlprogrammen und Koalitionsvereinbarungen verbindliche Ziele setzt. Diese Ziele müssen von der Regierung erreicht werden, um das Gemeinwohl oder die Bedingungen zur Herstellung des Gemeinwohls zu verbessern. Die Verbesserungsziele müssen sich an den Notwendigkeiten orientieren und nicht an idealisierten Wunschvorstellungen von einer „besseren Gesellschaft“. Es muss messbar sein, ob die Maßnahmen zur Zielerreichung wirksam sind oder nicht. Dazu muss ein Regierungsteam aus Fachleuten gebildet werden, die nicht einer Ideologie oder einer Parteistrategie unterworfen sind. In diesem Fall wäre es möglich, dass sich im Parlament wechselnde Mehrheiten bilden und dass Sachargumente wieder mehr Gewicht erhalten würden.

 

Kein „frommer“ Wunsch. Vermutlich jedoch ein Wunsch, der nicht in Erfüllung geht.