Wenn davor gewarnt wird, dass die „Demokratie“ in Gefahr sei, dann kann eigentlich nur die „Parlamentarische Demokratie“ gemeint sein. Genauer gesagt: die Ausübung der parlamentarischen
Demokratie durch die Parlamentarier, denn den Vorgang der Parlamentswahl halte ich (noch) für demokratisch.
Absatz (1) von Artikel 38 unseres Grundgesetzes lautet:
„Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind
Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“
Da diese grundgesetzliche Vorgabe schon sehr lange von den Parlamentariern ignoriert wird, muss die parlamentarische Demokratie schon sehr lange als gefährdet angesehen werden. Allein durch den
unverhohlen angewendeten „Fraktionszwang“ bei Abstimmungen im Parlament wird vorsätzlich und wiederholt gegen Paragraf 38, Abs. 1, Grundgesetz verstoßen. Aber diesen eklatanten Verstoß halten all
jene, die jetzt von dem „Einsturz“ einer imaginären „Brandmauer“ sprechen, anscheinend für selbstverständlich, sogar für geboten.
Was ist das für ein Demokratieverständnis?
Die Parlamentarier sprechen immer nur von den Parteien und Fraktionen im Bundestag. Sie „vergessen“ konsequent, dass sie die „Vertreter des ganzen Volkes“ sind, und dass die Bürgerinnen und
Bürger ausschließlich mit ihrer Wahl die Möglichkeit haben, ihren politischen Willen auszudrücken. Wenn also eine Fraktion von den anderen Fraktionen aus dem politischen Entscheidungsprozess
ausgeschlossen wird, dann werden deren Wählerinnen und Wähler ausgeschlossen. Und das halte ich für zutiefst undemokratisch. Zudem besteht das Risiko, dass sich die Bürgerinnen und Bürger gegen
diese Ignoranz ihrer Interessen irgendwann auch mit undemokratischen Mitteln zur Wehr setzen werden.
Diese Entwicklung hätten dann diejenigen zu verantworten, die Ausgrenzung als legitimes politisches Mittel praktiziert haben – nicht die, die ausgegrenzt wurden.